18 Juni 2016

Zahnarztphobie

Ich habe Angst vor dem Zahnarzt. Schon immer. Ich hatte schon Angst, als ich noch ganz klein war und die Krankenkasse (huch, da sind wir doch wieder beim Thema!) noch mehr Leistungen bezahlt hat als der Versicherte. Nein, das ist unfair. Das kommt uns nur so vor, weil wir irgendwie dauernd irgendwo zuzahlen müssen. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Sagt jeder Neoliberale. Und der amtierende Gesundheitsminister.

Ein Zahn schmerzte schon fast eine Woche. Der letzte Zahnarzt hatte mir geraten, ich solle das regelmäßig nachsehen lassen, am besten immer verbunden mit einer professionellen Zahnreinigung, deren Preis gerade auf 75€ erhöht wurde. Das kam mir seltsam vor. Entweder habe ich ein Loch im Zahn oder nicht.
Da ich konfliktscheu bin, habe ich mir einen Termin aufschwatzen lassen und beschlossen, einfach nicht wieder hinzugehen. Es tat ja auch nichts weh.

Jetzt aber dann schon. Also habe ich mir einen neuen Zahnarzt gesucht. Nette Website, nettes Gesicht, schöne, bunte Ausstattung. Der beste Ehemann von allen erklärte nach meiner Beschreibung: "Wenn der so scheißteures Zeugs da stehen hat, muss sich das noch refinanzieren. Der wird Dir garantiert eine Mörderkohle abnehmen." Da ich meine Erfahrungen grundsätzlich selbst machen muss und mich auch diverse Stürze auf's Näschen nicht dazu bringen konnten, einen gutgemeinten Rat anzunehmen, nahm ich statt des Rates den Termin wahr.

Gleich zu Anfang sollte ich eine Erklärung ausfüllen, damit die Praxis eventuelle offene Rechnungen an einen Finanzdienstleister weitergeben kann. Sie kennen das: Sie kaufen bei Müller, bekommen von denen auch eine Rechnung, vergessen dann zu zahlen und erhalten vom Inkassobüro Meier eine Mahnung mit einem Gebührenaufschlag, der geschätzte 320% des Rechnungsbeitrags aufweist. Russeninkasso finde ich da ehrlicher; die tun gar nicht so, als wären sie seriös.

Die behandelnde Assistenzärztin stellte dann einen fiesen Karies fest, den der Zahnarzt einige Wochen vorher offenbar übersehen hatte. Eine neue Füllung sei fällig, und ob ich gern eine Spritze haben wollte. Natürlich wollte ich! Beim Anblick der Instrumente hatte sich mein Puls schon beschleunigt, und bohren tut immer weh. Immer!

Nach der Spritze verschwand die Assistenzärztin, und die Zahnarzthelferin eröffnete mir, dass eine Zuzahlung zwischen 20 und 70€ für die Kunststofffüllung fällig werden würde. "Aber, aber... ich musste doch noch nie dazuzahlen!" stammelte ich mit taub werdenden Lippen. "Die Kasse bezahlt Kunststoff nur vorn." sagte die Helferin. "Und wenn ich die Grundversorgung will, die von der Kasse auch bezahlt wird?" "Das ist bei uns so üblich." wurde ich beschieden, und die junge Dame entschwand.

Da saß ich nun in meinem Stuhl, die Spritze wirkte (und die wirken bei mir grundsätzlich auch im Gehirn...), das Denken fiel schwer, und ich hatte die Wahl, mich aus dem Stuhl zu erheben und die Praxis unter Protest zu verlassen oder mich zähneknirschend (Achtung: Wortspiel!) in mein Schicksal zu ergeben.

Aufgrund meiner weichen Knie und der Tatsache, dass ich in zehn Tagen mit gesunden Zähnen einen Marathon laufen will, entschied  ich mich für Alternative Nummer 2.

Denen habe ich aber gesagt, dass ich nicht wiederkomme! Hinterher.

Ich könnte jetzt herumteufeln und weiter auf das so genannte "Gesundheitssystem" schimpfen. Das mache ich aber nicht. Ich bin konstruktiv. Ich habe gelernt. Und deshalb frage ich Sie: Kennen Sie einen Zahnarzt, bei dem klar zu erkennen ist, wann die medizinische Beratung beendet ist und das Verkaufsgespräch beginnt? Ich brauche nämlich schon wieder einen neuen.

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